Gegen Nachmittag fahren wir mit dem Bus zurück zur Schule und ich verabschiede mich.
Mit Bus und Bahn begeben wir uns nach Potsdam und werden im Museum von einer sehr netten Führerin in Empfang genommen. […] Ich höre den Erzählungen zu, habe aber erstmal noch keine „richtige“ Aufgabe – abgesehen davon, die Kinder davon abzuhalten, zu nah an die Kunstwerke zu kommen. Die Führung ist sehr kindgerecht gestaltet und weckt damit die Neugier der Klasse. Und hier kommt der zweite Teil unseres Museumsbesuchs ins Spiel: das eigene Kreativwerden.
Wir werden in ein großräumiges Atelier geführt. Dort gibt es die unterschiedlichsten Bastelmaterialien. Die Aufgabe: Gestaltet etwas, das irgendwas mit dem Thema Picasso zu tun hat. Ansonsten sind den eigenen Ideen keine Grenzen gesetzt. Und so werden Skulpturen gebastelt, Stiere gemalt, Gesichter gezeichnet, … Jedes Kind ist auf seine Art kreativ und auch wir „Großen“ fangen an zu malen und zu basteln.
Später verabschieden wir uns mit einem Berg von Kunstwerken von der Museumsführerin. Aber noch gehen wir nicht wieder zurück zur Schule. Ganz in der Nähe befindet sich die sogenannte Freundschaftsinsel. Dort gibt es eine geräumige Parkanlage, aber auch einen großen Spielplatz. Und genau der ist unser Ziel. Die Kinder toben sich aus, bauen Staudämme aus Sand und werden plötzlich zu Prinzessinnen oder Piraten. Wir sitzen im Schatten und schauen ihnen dabei zu. Nebenbei werden die kommenden Wochen durchgesprochen und verschiedene Absprachen getroffen. Die Zeit vergeht wie im Flug, gefühlt nur einige Minuten später, machen wir uns dann doch schon wieder auf den Rückweg. Aber auch hier wird kein Meter Weg einfach so gelaufen. Nein, es wird gerätselt, ob das, was da am Wegrand wächst jetzt wohl Waldmeister ist oder nicht doch etwa eine Pflanze, deren Name keiner so genau weiß. Es werden Schmetterlinge bestaunt und spannende Blumen fürs Klassenzimmer mitgenommen. Und wieder kann ich nur staunen über das Interesse der Kinder und darüber, was sie alles entdecken, was mir alleine nie aufgefallen wäre.
Fazit: Die Eichhörnchen sind keinesfalls nur einseitig interessiert, sondern lassen sich für ganz verschiedene Dinge begeistern. Und das mit den Namen war doch kein Problem. Die konnte ich gestern alle schon.
Montag, 3.6.2019
Ein Tag in der Waldklasse geht normalerweise von 8 bis 16 Uhr. Im Praktikum gilt aber die Regelung, dass man nicht mehr als maximal sechs Stunden dort sein soll. In der ersten Woche habe ich mir schwerpunktmäßig den Vormittag und Mittag angeschaut. Heute möchte ich gucken, was nachmittags bei den Eichhörnchen so los ist. Mit der Klassenlehrerin habe ich vereinbart, erst gegen den späten Vormittag zur Schule zu kommen.
Einer der ersten Programmpunkte, den ich so miterlebe, ist das gemeinsame Mittagessen. Das ist heute so früh, weil wir für das Nachmittagsprogramm besonders viel Zeit brauchen. Die Kinder begrüßen mich aufgeregt und ziehen mich zu ihrem Tisch. Es gibt Kartoffelbrei.
Nach dem Essen wird die Gruppe aufgeteilt. Die 3. Klässler begeben sich mit zwei der Erzieher zu einem See und angeln dort. Ich bleibe mit den 1. und 2. Klässlern in der Schule. Wir wollen Abschiedsgeschenke für die Kinder basteln, die die Klasse zum nächsten Schuljahr verlassen – sprich für die Kinder, die zum Angeln gegangen sind. […]
Es sollen Eichhörnchen werden, die Klassentiere. Dafür stehen verschiedene Materialien zur Verfügung. Der Körper soll aus einer Klopapierrolle bestehen. Für Kopf, Gliedmaßen und Schwanz gibt es Papier, unterschiedliche Nusssorten und Stoffe. Ich male mit einem Mädchen mit Downsyndrom zusammen den Körper ihres Eichhörnchens bunt an. Das dauert ziemlich lange, weil sie sich immer wieder neu entscheidet, welche Farben es letztendlich haben soll. Außerdem klebe ich Arme und Beine an und befestige Haselnüsse zwischen den Pfoten. Es entstehen ganz viele unterschiedliche Eichhörnchen und so haben wir ein einzigartiges Geschenk für jeden 3. Klässler.
Damit die Klassenlehrerin in Ruhe aufräumen kann, bittet sie mich, aus einem Buch vorzulesen. „Frieder und Oma“ heißt die Reihe. Es sind alles Kurzgeschichten, die man auch einzeln vorlesen kann. Ich setze mich an den Teppich und fange an zu lesen. Nach und nach kommen die Kinder und kuscheln sich zu mir – wie auch immer sie das bei dem Wetter irgendwie gemütlich finden können. Jedes Mal, wenn eine der Kurzgeschichten zu Ende ist, ertönt ein einstimmiges „Noch Eine!“. Okay, ich lese also weiter.
Später gehen wir runter in den Schulgarten, zum „Eichhörnchenplatz“, und machen auch hier den Rasensprenger an. Die 3. Klässler sind wieder da. Sie haben einen Rotbarsch gefangen und ein paar andere spannende Fische. Als ganze Klasse machen wir noch eine Abschlussrunde und der Plan für morgen wird in Kurzfassung vorgestellt. Nach und nach kommen die Eltern, die ihre Kinder abholen wollen.
Fazit: Es ist total schön, mit wie viel Mühe die Kinder füreinander basteln. Und „Oma und Frieder“, was mir in der Grundschule auch vorgelesen wurde, kommt offensichtlich nach wie vor super gut an.
Mittwoch, 5.6.2019
Auch für den heutigen Tag haben wir wieder etwas Besonderes vor. Der Schultag startet aber erst einmal „normal“. Die Eichhörnchen beginnen wieder mit Freiarbeit. […] Viele von den Älteren setzen sich an ihre Aufgaben zum 1×1, es werden Schreibschrifthefte beendet und Lesespiele gemacht. Wer damit fertig ist, bekommt noch eine zweite Aufgabe: Die Lehrerin möchte ein Buch mit Tiersteckbriefen erstellen. Dazu soll jedes Kind einen Steckbrief zu einem für sie besonders spannenden Tier ausarbeiten. Würde jedes Kind sein Lieblingstier machen, hätten wir aber 26 Wölfe. Das wäre ein bisschen eintönig. Also muss koordiniert werden, welches Kind einen Steckbrief zu welchem Tier macht. Ohne dass ein Kind total eingeschnappt ist. Gar nicht so einfach in dieser Klasse!
Nach dem Frühstück mit anschließender Geburtstagsfeier kommen wir zum Highlight des Tages. Ein Vater kommt vorbei. Mit seinem alten Mercedes. Als er selbst noch ein Kind war, wollte er gerne mal ein Auto bemalen. Aber er durfte nie. Jetzt hat er kürzlich von einem Bekannten ein Auto geerbt. Und er möchte den Kindern der Waldklasse das ermöglichen, was er selbst nicht machen konnte. Das Auto soll ganz normal weiterhin benutzt werden, die Familie will damit sogar in den Urlaub fahren.
Die Regeln: 1. Es wird nur angemalt, was grün ist (also keine Fenster, Blinker, etc.) und 2. Jeder malt im Hinblick darauf, dass es noch 25 andere Kinder in der Klasse gibt, die auch noch Platz für ihr kleines Kunstwerk haben wollen.
Weil nicht alle gleichzeitig malen können, gibt es noch zwei Dinge, die die Kinder parallel machen sollen. Die Baummappen von „ihren“ Bäumen fertig stellen und schön machen und die Arbeit im Schulgarten an den Beeten. Immer fünf von ihnen dürfen ans Auto. Ich habe Glück und darf beim Bemalen helfen. Farben nachfüllen, Pinsel auswaschen, aber auch Kreise vorzeichnen, „Malplätze“ zuweisen und Kinder trösten, deren Idee „geklaut“ wurde. Anfangs bin ich mir nicht sicher, ob wirklich jedes der Eichhörnchen seinen Platz auf dem Auto finden wird und ob das Gesamtwerk letztendlich überhaupt ansehnlich ist. Aber nach und nach fügen sich die einzelnen kleinen Bilder zu einem großen Bild zusammen. Und sogar für mich bleibt noch ein bisschen Platz, mich auf dem Mercedes zu verewigen. Die Kinder sind mächtig stolz, als wir ihnen schließlich das fertig bemalte Auto präsentieren. Es ist eindeutig ein Unikat geworden. Und sie sind sich einig, dass es das coolste Auto auf der ganzen Welt ist.
Zwischenfazit des gesamten Praktikums: Ich hatte ein bisschen etwas anderes erwartet, als ich mich für ein Praktikum in der Grundschule entschiede habe. Dadurch, dass ich die letzten Wochen vor den Sommerferien abgepasst habe und dadurch, dass ich in einer speziellen Waldklasse bin, ist es nicht das klassische Programm, das man sich vorstellt. Aber es ist schön, nicht jeden Tag das Gleiche zu machen, sondern ein wirklich abwechslungsreiches Programm zu haben. Die Kinder haben mich sofort ins Herz geschlossen und sehen mich teilweise mehr als älteren, helfenden Freund, als als Lehrer. Es macht mir wirklich viel Spaß, aber ob Grundschullehrerin ein Beruf ist, der für mich in Frage käme, kann ich bis jetzt noch nicht beurteilen.
Mein vorletzter Tag im Praktikum beginnt noch einmal wie gewohnt mit Freiarbeit. Die letzte in diesem Schuljahr. Gestern haben die Kinder die Aufgabe bekommen, ihre Schultagebücher zu vervollständigen. Dazu lagen Fotos von den Highlights der letzten Wochen aus, zu denen sie einen kurzen Eintrag machen sollten. Je nachdem wie viel Zeit sich ein Kind mit diesen Einträgen lässt, ist heute noch mehr oder weniger davon zu tun. Eins der Mädchen ist nach kurzer Zeit fertig. Sie möchte einen Steckbrief fertigstellen, tut sich aber noch schwer mit Lesen und Schreiben. Also setze ich mich zu ihr und wir lesen abwechselnd einen Absatz aus dem Text über ihr Tier. Nach jedem überlegen wir gemeinsam, was davon so spannend ist, dass es unbedingt in den Steckbrief gehört und was eher unwichtig ist. Als der Steckbrief fertig ist, ist sie total stolz. Sie hat alles ganz alleine geschrieben und ich habe wirklich nur ein kleines bisschen geholfen 😉
Später setze ich mich zu einer der „Großen“. Sie bekommt kurz vor Ende der Freiarbeitszeit die Anweisung, noch ein ganzes Arbeitsblatt mit 1×1 Aufgaben zu lösen. Ganz hektisch fängt sie an, die Aufgaben zu bearbeiten. Wenn sie nicht weiterweiß, gebe ich ein bisschen Hilfestellung („Guck mal, das hast du doch schon ausgerechnet, was 3×7 ist. Hast du eine Idee, wie du jetzt auf 6×7 kommst?“). Und tatsächlich schafft sie den ganzen Zettel, bevor wir uns im Morgenkreis versammeln. Als die Lehrerin fragt, wer heute alles etwas Tolles geschafft hat, erzählt sie das dann auch und bekommt eine kleine Runde Applaus vom Rest der Klasse.
Donnerstag ist Sporttag bei den Eichhörnchen. Die Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen wird für eine gemeinsame Sportstunde genutzt. Letzte Woche kam es beim Völkerball zu Streit, weil „die Teams sooo unfair waren“ und „die anderen die ganze Zeit voll geschummelt haben“. Diese Woche probieren wir deswegen etwas anderes aus. Bei dem Spiel müssen einfach gesagt von der eigenen Hallenhälfte aus vier Kegel in der Hälfte der anderen Mannschaft umgeworfen werden. Fällt ein Kegel um, ist das ein Punkt. Das ist deutlich eindeutiger und für uns leichter zu sehen, als wenn es darum geht, ob ein Ball jetzt über der Linie war oder nicht. Dementsprechend friedlich ist es heute. […] Nach dem Mittagessen fahren die Drittklässler zum Schwimmunterricht und die Jüngeren gehen noch eine Runde in den Wald. Ich verabschiede mich. „Aber morgen kommst du nochmal, oder?“ Ja, morgen komme ich nochmal, aber dann sind drei Wochen Praktikum auch schon wieder vorbei…
Fazit des Tages: Wow, schon fast am Ende angekommen. Das ging unglaublich schnell! Und heute sogar noch was für die Küche gelernt.
Für meinen letzten Morgen bei den Eichhörnchen hat sich die Klasse etwas Besonderes ausgedacht. Wir treffen uns direkt draußen am Eichhörnchenplatz und gehen gar nicht erst hoch ins Klassenzimmer. Die Kinder haben erst kurz Zeit zum Spielen, dann trommelt die Lehrerin sie zusammen. Wir machen einen Abschiedskreis für mich. Ich bin total gerührt. Als erstes überreichen mir ein paar der Kinder feierlich Muscheln und zu Adlerköpfen geschleifte Steine. Ich bekomme Fotos aus der Zeit, […] mit Abschiedsbrief von einem der Mädels und ein kurzes Berichtzeugnis. Damit habe ich nicht gerechnet. Im Gegenzug schmeiße ich nur eine Runde Kekse.
Und dann geht das Verabschieden los. Die Großen, die die Klasse zum nächsten Jahr verlassen, machen sich nämlich zu einem Abschiedsausflug auf. „Kommst du noch mit?“ Nein, ich bleibe bei den Jüngeren in der Schule, da kann ich mehr tun. „Schade…“ Ich wusste gar nicht, dass manche Kinder mich so ins Herz geschlossen haben, aber das Tschüss-Sagen fällt sehr herzlich aus.
Mit den verbliebenen Eichhörnchen gehen wir hoch in ihren Klassenraum. Wir haben eine schwierige Aufgabe vor uns: Die bereits gebastelten Eichhörnchen (siehe Blogeintrag 7.6.) müssen nochmal aufgearbeitet werden, falls nötig, und dann muss zugeteilt werden, welcher Drittklässler welches Eichhörnchen geschenkt bekommt. Nicht so leicht zu entscheiden, vor allem wenn mehrere Kinder ihr Eichhörnchen dem oder der selben Person schenken wollen. Aber nicht nur für die Großen muss heute etwas organisiert werden, auch für die neuen Erstklässler. Alle Kinder sollen auf der Rückseite eines Willkommen-Briefes unterschreiben. Und ich soll aufpassen, dass kein Kind irgendwo doppelt unterschreibt. Das klappt auch ganz gut – bis die Lehrerin für die fehlenden Kinder unterschreiben will und prompt einen Namen zweimal auf den gleichen Brief setzt.