6 Fragen an … #14 Bontu Guschke (Diversitäts- und Antidiskriminierungsberaterin)

Alle ehemaligen Schülerinnen und Schüler beziehen sich immer auf folgende 6 Fragen:

  • Das Werner-von-Siemens-Gymnasium war für mich: …
  • Nach der Schulzeit habe ich: …
  • Mein beruflicher Alltag ist geprägt von: …
  • Die Highlights in meinem Job sind: …
  • Auch das gehört „leider“ zu meiner beruflichen Tätigkeit: …
  • Mein Tipp für die Schulabgänger:innen lautet: …

Name: Bontu Guschke
Beruf: Diversitäts- und Antidikriminierungsberaterin
Abschlussjahr: 2011
Kontaktmöglichkeit: https://www.bontu-guschke.com/

1)… oft schön, aber auch nicht immer einfach. Ich habe super viele schöne, spannende und lustige Erinnerungen an die Schulzeit, an die ich gerne zurückdenke. Gleichzeitig war ich während meiner Zeit am WvS immer eine von wenigen Schwarzen Schüler*innen und Themen wie Umgang mit Vorurteilen, Rassismus und Ausschlusserfahrungen haben selten Raum gefunden – obwohl das eigentlich schon damals echt wichtig gewesen wäre. Mit einigen meiner Erfahrungen habe ich mich deshalb manchmal eher allein gelassen gefühlt oder teilweise auch selber erst später verstanden, wie mich das geprägt hat. Gleichzeitig war es aber auch der Ort, an dem ich angefangen habe, kritisch über die Welt nachzudenken, gelernt habe Dinge zu hinterfragen, und an dem ich Menschen kennengelernt habe, die mich jetzt seit über 20 Jahren kennen und noch heute meine engsten Freundinnen sind – dafür bin ich sehr dankbar.

2)… angefangen zu studieren – das hieß für mich vor allem: den Freund*innenkreis aufbauen, der mich bis heute durch alle Höhen und Tiefen begleitet, rausfinden was ich alles nicht machen will (zum Beispiel im Bereich Publizistik und Medien arbeiten, obwohl ich das im Bachelor studiert habe) und mit Kommiliton*innen zusammen ein Social Start-up gründen und dabei rausfinden in welche Richtung es mich eigentlich zieht. Während meines Bachelorstudiums in Berlin habe ich zusammen mit drei Kommiliton*innen Über den Tellerrand gegründet. Die Ideen von Über den Tellerrand – damals ein kleines Berliner Studi-Projekt, heute ein Verein mit Communities und Projekte in vielen verschiedenen deutschen Städten – war es Räume zu schaffen, in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft austauschen, vernetzen und auf Augenhöhe kennenlernen können. Mir war das wichtig, weil ich mich schon immer viel damit beschäftigt habe, welche Ausschlüsse und Ungerechtigkeiten Menschen in unserer Gesellschaft erfahren und was wir dagegen tun können. Ausschlüsse und Diskriminierung aufgrund von Rassismus und Vorurteilen gegenüber geflüchteten Personen ist hier eines der großen Probleme und dagegen wollte ich was tun. Nach zwei Jahren habe ich Über den Tellerrand zwar wieder verlassen und bin für meinen Master und später meine Promotion nach Kopenhagen gezogen, die Überzeugung mein berufliches Leben danach auszurichten, wie ich zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit und für Vielfalt und Akzeptanz beitragen kann, prägt mich aber bis heute und ist eine wichtige Basis für meine Arbeit als Diversitäts- und Antidiskriminierungsberaterin.

3)… ziemlich viel Abwechslung, vielen Projekte, die parallel laufen, guten und schwierigen Phasen, und viel Austausch mit anderen Menschen. An manchen Tagen halte ich Vorträge, geben Workshops, Trainings oder Schulungen, oder moderiere Webinare und Konferenzen – da geht es dann also viel um Austausch, Präsenz, schnelles Reagieren, Diskutieren, … An anderen Tagen sammle ich Ideen, lese Texte, bereite Vorträge und Trainings vor – hier steht dann die tiefere Auseinandersetzung mit Themen im Vordergrund. Es ist also viel Abwechslung und selbstbestimmte Zeiteinteilung – was ich liebe. Gleichzeitig bedarf es aber auch viel Selbstorganisation und gutes Zeitmanagement. Zum Glück fällt mir das meistens leicht und ich genieße die Freiheit, die es mir gibt. Ich habe über die Jahre aber auch auf jeden Fall immer wieder lernen müssen, wie wichtig es ist eine gute Balance zu finden, um weder in der kompletten Prokrastination zu versinken noch ständig, immer und überall zu arbeiten, sondern auch immer wieder Pausen, Urlaube und Auszeiten zu nehmen.

4)… die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten und mich austauschen kann und das Gefühl durch meine Arbeit etwas verändern zu können. Als ich jünger war, dachte ich unterbewusst oft, dass vieles in unserer Gesellschaft eben einfach so ist wie es ist und man – oder zumindest ich – daran nicht viel ändern kann. Heute habe ich verstanden, dass das gar nicht stimmt. Es gibt so viele Wege und Möglichkeiten, Gesellschaft, Räume, Orte, Themen mitzugestalten. Das ist nicht immer einfach und manchmal auch echt frustrierend, wenn sich dann etwas doch nicht so verändert, wie ich mir das wünsche und vorstelle. Aber es geht – vor allem wenn wir zusammenarbeiten – und das gibt mir immer wieder Antrieb weiterzumachen.

5)… viel Gegenwind, Widerstände und Backlash. Ein super wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, mich auch mit denjenigen auseinanderzusetzen, die Dinge anders sehen als ich und das ist oft sehr wertvoll, auch wenn es schwierig ist – Fragen nach Gerechtigkeit gehen eben alle was an und dass wir da nicht immer alle einer Meinung sind, gehört dazu. Gerade im Moment stehen in unserer Gesellschaft aber leider nicht alle für Vielfalt und Gerechtigkeit. Das Erstarken der AfD und das generelle gesellschaftliche Klima machen mir Sorgen, denn leider besteht dadurch aktuell teilweise ein gesellschaftlicher Diskurs, der aktiv diskriminierend, rassistisch und menschenverachtend ist – und diese Debatten, die sich dann auch als Angriffe gegen mein Arbeitsfeld äußern, sind schwer auszuhalten. Ich hoffe sehr, dass wir als Gesellschaft insgesamt weiter klar für Demokratie und Vielfalt einstehen und uns, gerade wenn es Backlashes und Angriffe gibt, gegenseitig unterstützen und stärken.

6)… fragt euch wofür ihr wirklich brennt und was euch wichtig ist – und probiert dann in dem Feld was zu bewegen. Einiges davon wird später bestimmt euren Beruf beeinflussen, andere Aspekte werden auf andere Art und Weise euer Leben prägen. Nach dem Abi geht es so viel darum, was man später mal arbeiten will und klar, das ist wichtig. Aber fragt euch auch, wie ihr später mal leben wollt, wozu ihr beitragen wollt, was euch wichtig ist im Großen und im Kleinen, in unserer Gesellschaft und in eurem Umfeld – und schaut dann, wie ihr das mit Berufswünschen und -plänen zusammenbekommt. Unsere Gesellschaft besteht nicht einfach irgendwie so von alleine – wir und ihr alle seid Teil davon sie zu gestalten, nutzt das.